Inflation, Baustoffpreise, Zinspolitik – Immobilienblase im Anmarsch?

Pandemiefolgen, Lieferengpässe, Inflation, steigende Bauzinsen, Krieg und Energiekrise sind kein gutes Umfeld für Immobilienpreise. Vor einem Jahr wurde man noch belächelt in der Branche mit einem Hinweis auf eine sich anbahnende Trendumkehr, sprich stagnierende bzw. fallende Immobilienpreise. Nun ist die Nachfrage gerade nach energetisch schlechten Wohnungen und Häuser bereits am Einbrechen. 13 Jahre Boom sind wie es aussieht einstweilen vorbei – mit ungeahnten Folgen.

Immobilienmarkt im Umbruch

Kaufinteressierte sind zurückhaltend, die Angebotspreise verzeichnen bereits einen Preisrückgang von bis zu zehn Prozent. Die schlechten Nachrichten würden nicht abreißen. Nach Corona und Ukraine-Krieg seien es nun die gestiegenen Kreditzinsen. Und auch das Thema Energieeffizienz nicht nur für Neubauten, sondern auch für den Bestand, ist inzwischen in der Immobilienbranche angekommen. Bis vor kurzem war das Interesse an ESG noch überschaubar, aber seit Beginn der Energiekrise werden Gebäude mit schlechten energetischen Kennwerten deutlich weniger nachgefragt. Bei vielen Immobilien des Altbestandes wird eine energetische Sanierung zur Notwendigkeit werden. Problematisch wird es allerdings dann dort, wo Immobilien selbst nicht mehr werthaltig sind, gerade in ländlichen und strukturschwachen Gebieten.

Zinspolitik & Baukosten

Steigende Zinsen aber auch vor allem die Baukosten bringen Teile der Branche in Nöte. Der Holzpreis zum Beispiel zog zeitweise um 300 Prozent an, direkte Auswirkung durch den Ukraine Krieg, nun versucht man in Österreich wieder mehr auf eigene Ressourcen zu setzen, das gelingt aber nicht von heute auf morgen. Im Schnitt haben sich die Baukosten bei Projekten seit der Planung um 20 bis 25 Prozent erhöht. Eine seriöse Kalkulation sei kaum noch möglich, wie soll man auf einer ungewissen Basis den endgültigen Preis festsetzen? Entweder kommt man den Lieferanten etwas entgegen oder man riskiert Insolvenzen, die sofortige Auswirkungen auf den Baufortschritt haben. Fakt ist jemand wird die zusätzlichen Kosten tragen müssen, ob potentiellen Käufer oder Mieter sich das dann noch leisten können? Es kommen zu den explodierenden Baukosten und den chronischen Fachkräftemangel am Bau noch die rasant gestiegenen Zinsen. Einige Bauherren kapitulieren bereits und verfolgen Ihre Projekte nicht mehr weiter, neue Projekte werden on hold gesetzt.

Strukturwandel & Immobilienfinanzierung

Weniger fertiggestellte und beziehbare Eigentumswohnungen und Ein- und Zweifamilienhäuser bedeuten einen Strukturwandel. Dies hat direkte, wenn auch verzögerte Auswirkungen auf den Mietermarkt, gerade in den Ballungszentren werden die Mietpreise deshalb weiter ansteigen, weil Eigentum für viele Familien keine leistbare Option mehr darstellt. Ohne zusätzliches Kapital, in Form einer Schenkung oder Erbschaft, ist für viele Eigentum zu erwerben, ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Dies hat auch zur Folge, dass sich auch das Konsumverhalten der Menschen ändern wird, für eine eigene Immobilie würde fast jeder Zweite z.B. auf den Urlaub verzichten. Eine individuelle Beratung mit Aufzeigen der Optionen und ein tiefergehendes Screening wird für eine Immobilienfinanzierung notwendig sein. Alles in allem wird die Politik gefordert sein, leistbares Wohnen sicherzustellen, dieses stellt seit jeher ein Grundbedürfnis dar.

Strengere Kreditvergaberegeln

Die neuen Kreditvergaberegeln laufen unter dem offiziellen Namen KIM-V (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung), diese strengeren Regeln gelten ab dem 01.08.2022:

Mindestens 20 Prozent Eigenkapital

Bisher war diese Forderung nur eine Empfehlung, mit der neuen Verordnung wurde es zur gesetzlichen Pflicht: Neue Kreditkunden müssen ab jetzt mindestens 20 Prozent der Immobilienkosten durch Eigenkapital finanzieren. Genau genommen regelt die Verordnung eigentlich die Beleihungsquote. Das ist der Kreditbetrag dividiert durch den Immobilienwert. Die Beleihungsquote darf maximal 90 % betragen, dies entspricht dann in etwa einem Eigenmittel-Anteil von 20 Prozent in Abhängigkeit von der im Grundbuch in Österreich eingetragenen Hypothek.

Laufzeit maximal 35 Jahre

Darüber hinaus wird die Kreditlaufzeit von Wohnkrediten nach oben begrenzt. Als maximale Laufzeit sind 35 Jahre festgelegt. Je länger die Laufzeit, desto höher werden insgesamt die Zinskosten, hier möchte man mehr Sicherheit schaffen.

Monatsrate maximal 40 Prozent des Haushaltseinkommens

Hohe monatliche Raten gehen mit dem Risiko einher, durch unvorhergesehene Ereignisse (z. B. Arbeitslosigkeit) den Kredit nicht mehr bedienen zu können. Auch hier hat die FMA einen Riegel vorgeschoben: Die monatlichen Kreditraten von Kreditnehmern dürfen 40 Prozent des Haushalts-Nettoeinkommens nicht überschreiten. Dabei spricht man von der sogenannten maximalen Schuldendienstquote.

Es gibt jedoch auch Ausnahmen: Kredite für Sanierungen und Renovierungen sind bis zu einer Kredithöhe von 50.000 Euro (Geringfügigkeitsgrenze) von diesen Regeln ausgenommen. Durch diese Ausnahmeregelung soll z.B. auch der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger unterstützt werden.

Darüber hinaus können Banken nach eigenem Ermessen Ausnahmen gewähren, jedoch nur für einen maximalen Anteil von insgesamt 20 Prozent aller neu vergebener Wohnkredite (ohne Wohnimmobilienfinanzierungen, welche unter die Geringfügigkeitsgrenze fallen).

Weiters gibt es drei Töpfe mit Ausnahmenkontingenten. Nur in maximal 20 Prozent der Fälle dürfen Kredite vergeben werden, bei denen der Eigenkapital-Anteil niedriger ist als per Gesetz gefordert. Die Ausnahmekontingente für die Überschreitung der Schuldendienstquote betragen je 10 Prozent sowie der maximalen Kreditlaufzeit je 5 Prozent.

Alternative Finanzierungsformen werden immer mehr nachgefragt:

Mezzanine-Kapital

Die mit Abstand wichtigste alternative Finanzierungsmöglichkeit ist Mezzanine-Kapital. Zur Verfügung gestellt durch spezielle Akteure im Bereich Equity und Debt handelt es sich bei dieser Finanzierung um eine Mischform:

Als Equity-Mezzanine werden die Mittel in einer Form vergeben, durch die sie im empfangenden Unternehmen Eigenkapital ähneln – mit allen Vorteilen nicht zuletzt für den Erhalt weiterer Mittel.

Als Debt-Mezzanine hingegen ähnelt die Finanzierung einem klassischen Darlehen mit Fremdkapital.

Der bedeutendste Grund für den Erfolg von Mezzanine-Kapital bei gewerblichen Immobilienfinanzierungen ist seine enorme Wandlungsfähigkeit. Innerhalb der genannten Varianten ist das meiste eine Sache der individuellen Vertragsgestaltung. Es kann sogar Equity- und Debt-Mezzanine gemischt werden.

Crowdfunding bzw. -investing

Neue Investitionsformen wie Crowd-Investing, wo man schon mit kleineren Investitionsbeträgen partizipieren kann, werden immer beliebter. Das empfangende Unternehmen kann diese Mittel als Eigenkapital buchen und somit sein Standing verbessern.

Man muss hier jedoch darauf achten, dass es sich um seriöse Anbieter handelt, die in hochwertige Projektentwicklungen oder Bestandsimmobilien investieren, aber auch dem Kleinanleger Sicherheiten bieten. Hierbei macht es Sinn, sich die bisherige Performance bzw. den Track Record im Vorfeld anzusehen.

Peer-to-Peer-, respektive Marketplace-Kredite

Wenn ein herkömmliches Kreditinstitut Geld verleiht, dann könnte man es strenggenommen nur als Vermittler betrachten: Die dafür herangezogenen Gelder entstammen schließlich zu einem erheblichen Teil den Einlagen der Sparer bei dieser Bank.

Wer dieses Prinzip versteht, der begreift ebenfalls, worum es bei Peer-to-Peer-Krediten (oft abgekürzt als P2P Lending) geht: Diejenigen, die Geld verleihen möchten und diejenigen, die einen Kredit benötigen, kommen direkt auf einer Plattform zusammen – ohne Mittelsmann.

Der wesentliche Unterschied zum Crowdfunding, es handelt sich immer um Kredite, also bilanziell um Fremdkapital. Auf den Plattformen präsentieren sich nicht die Finanzierungssuchenden, sondern die Anbieter. Hierbei sei jedoch unterstrichen, dass P2P-Lending eher als Begriff für Kredite zwischen Privatpersonen genutzt wird. Geht es um ein ähnliches Prinzip bei gewerblichen Krediten, spricht man häufiger von Marketplace-Lending – selbst, wenn dahinter ein nahezu deckungsgleiches Grundprinzip steht. Ein Grund dafür ist der stärkere Anteil von institutionellen Anlegern statt Peers, also Privatpersonen.

Bewegen wir uns auf eine Immobilienblase zu?

Dies lässt sich leider nicht endgültig beantworten, es spielen viele Marktmechanismen zusammen und auch die Politik beeinflusst mit Ihren Entscheidungen den Immobilienmarkt, hier aber die wichtigsten Faktoren, die helfen können, eine objektive Beurteilung der Situation zu evaluieren:

Überbewertung

Der Verkehrswert (Fair Value) von Immobilien übersteigt ihren Sachwert deutlich. Dies lässt sich zum Beispiel an einem schlechten Kaufpreis-Mieteinnahmen-Verhältnis ablesen.

Ungebremster Preisanstieg

Die Immobilienpreise steigen abgekoppelt von der Inflation und den Durchschnittseinkommen immer weiter an.

Schlechte Kredite

Die Kredite werden zunehmend an Personen mit schlechter Kreditwürdigkeit vergeben.

Käufer spekulieren

Ein Kreditnehmer kauft eine renovierungsbedürftige Immobilie, saniert sie und verkauft sie danach zu einem wesentlich höheren Preis. Käufer spekulieren bewusst auf ständig steigende Immobilienpreise.

Überschuldung der Haushalte

Der Kreditnehmer kann die monatliche Kreditrate nicht mehr bedienen und muss den Immobilienverkauf veranlassen.

Zu geringe Bautätigkeiten

Weder der Eigentumsmarkt noch der Mietenmarkt erfahren Entspannung, weil viel zu wenig gebaut wird.

Unattraktive Sparanlagen

Aufgrund niedriger Sparzinsen ist für Privatanleger ein Immobilien-Investment noch eine attraktive Alternative. Somit drängen immer mehr Investoren in den Markt, während die Immobilien-Angebote schrumpfen.

Rasantes Wirtschaftswachstum

Je schneller das Bruttoinlandsprodukt wächst, umso mehr begünstigt es das Entstehen einer Immobilienblase. Je mehr kaufkräftige Immobilienkäufer es gibt, desto größer ist die Nachfrage.

Steigende Zinsen

Kündigt die EZB an, den Leitzins anzuheben, steigen häufig auch die Bauzinsen. Finanzierungen werden teurer und treffen auf überhöhte Preise. Viele Menschen können sich eine Immobilie nicht mehr leisten., die Nachfrage lässt Zug um Zug nach.

Steigende Bautätigkeiten

Wird in Österreich sehr viel gebaut, sodass das Immobilienangebot die Nachfrage übersteigt, könnten die Preise für Immobilien in der Folge sinken.

Unwillige Interessenten

Sobald Käufer die Preise als zu hoch empfinden, verlieren sie das Interesse. Die Nachfrage nach Immobilien sinkt und die Angebotspreise sinken.

Verschärfte Kreditvergabe

Zu hohe Immobilienpreise bewirken, dass Käufer diese nicht mehr durch genügend Eigenkapital kompensieren können, in der Folge bewilligen Banken keine Kredite mehr.

Kreditnehmerpleiten

Kreditnehmer können Kredite nicht mehr bedienen, weil sie sich übernommen haben. Zwangsversteigerungen wären auf der Tagesordnung.

Bankenpleiten

Zu viele Zwangsversteigerungen können eine Welle von Bankenpleiten auslösen. So geriet 2008 bekanntlich der Immobilienmarkt in den USA ins Taumeln, 25 Banken mussten in der Folge schließen.

Quo vadis Immobilienbranche?

Entscheiden Sie für sich, wieviel dieser Kriterien für oder gegen eine Immobilienblase sprechen. Fakt ist die nächsten Monate und Jahre werden spannend für die gesamte Branche, ein Umbruch ist nicht mehr zu leugnen, und vorausschauende Player setzen bereits jetzt auf ein funktionierendes Risikomanagement und achten nicht nur auf eine potentielle Rendite, sondern auch auf Nachhaltigkeit sowie vor allem auf die Liquidität.

Wenn Sie als Unternehmen in diesen herausfordernden Zeiten Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen gerne für ein Erstgespräch zur Verfügung.

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